Abgabe von Fingerabdrücken zu Arbeitszeiterfassung?

Das LAG Berlin-Brandenburg musste in seinem Urteil vom 10.06.2020 (Az: 10 Sa 2130/19) darüber entscheiden inwiefern Fingerabdrücke zur Erfassung der Arbeitszeit genommen werden dürfen.

Da mit dem Urteil zur Arbeitszeiterfassung des EuGH aus dem Jahr 2019, welches alle Arbeitgeber verpflichtet, systematisch die Arbeitszeit der Beschäftigten zu erfassen, viele Unternehmen eine Lösung finden mussten, um das Urteil umzusetzen, hat auch die Entscheidung des LAG Berlin Brandenburg eine besondere Relevanz.

I. Sachverhalt

Eine radiogische Praxis (welche einem größeren Konzernverbund zugehörig ist) erfasste die Arbeitszeit ihrer Beschäftigten bisher per Hand. Im Jahr 2018 wurde jedoch eine neue Zeiterfassungssoftware eingeführt, welche zur Identifikation die Fingerabdrücke der Mitarbeiter erfasst. Dabei wird nicht der Fingerabdruck, sondern nur einzelne Linien im Abdruck gespeichert (auch „Minutien“ genannt). Das System wandelt diese Linien in einen Zahlencode, damit sich daraus kein Fingerabdruck mehr erstellen lässt.

Ein Mitarbeiter weigerte sich dieses System zu nutzen und seine Fingerabdrücke nehmen zu lassen. Er erfasste seine Arbeitszeit weiterhin per Hand. Er erhielt daraufhin zwei Abmahnungen vom Arbeitgeber mit der Aufforderung das Zeiterfassungssystem ordnungsgemäß zu nutzen.

Dagegen wollte er sich währen und klagte vor dem Arbeitsgericht gegen die Abmahnungen.

II. Entscheidung

Das Gericht ordnet Fingerabdrücke als biometrische Daten gem. Art. 4 Nr. 14 DS-GVO ein, weshalb diese besonders schützenswerte personenbezogene Daten gem. Art. 9 DS-GVO sind. Fingerabdrücke sind physische Merkmale einer natürlichen Person, die die eindeutige Identifizierung dieser Person ermöglichen, damit fallen Sie unter die Definition der biometrischen Daten.

Nach der Qualifizierung als besondere personenbezogene Daten greift das grundsätzliche Verbot der Verarbeitung dieser Daten nach Art. 9 Abs. 1 DS-GVO. Eine Datenverarbeitung käme damit nur noch in Betracht, wenn die Datenverarbeitung für die Ausübung der Rechte aus dem Arbeitsverhältnis erforderlich wäre.

Auch wenn EU-Recht besagt, dass Arbeitszeiten erfasst werden müssen, sah es das Gericht nicht als erforderlich und notwendig an, dass hier die Fingerabdrücke des Beschäftigten erfasst werden müssen. Zur Erfassung der Arbeitszeit gibt es weniger risikoreiche Möglichkeiten, welche auch weniger in die Rechte und Freiheiten der Betroffenen eingreifen.

Das Gericht ließ auch die Gegenargumente des Arbeitgebers abprallen, dazu gehörte die Einsparung von Kosten, die Vereinfachung zur konzernweiten Arbeitszeiterfassung, den Schutz vor Arbeitszeitbetrug und der Schutz der Räumlichkeit wegen der Nachvollziehbarkeit der Anwesenheit der Mitarbeiter.

Alle diese Einwände sah das Gericht als nicht einschlägig an, um das Interesse des Arbeitsgebers die Arbeitszeiterfassung über Fingerabdrücke durchzuführen über das Interesse des Beschäftigten auf Schutz seiner informationellen Selbstbestimmung zu stellen.

III. Fazit

Aus dieser Entscheidung lässt sich schließen, dass biometrische Daten für die Erfassung von Arbeitszeiten grundsätzlich nicht mit den datenschutzrechtlichen Regelungen vereinbar sind. Die Erfassung von physischen oder physiologischen Merkmalen ist für die Arbeitszeiterfassung nicht erforderlich. Es gibt hierfür weniger invasive Alternativen. Damit ist festzuhalten, dass von Fingerabdrücken oder Gesichtsscans bei Arbeitszeiterfassungssystemen abzusehen ist. Wenn überhaupt ist eine solche Nutzung nur in sehr engen Grenzen und besonderen Voraussetzungen möglich.

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