Gericht stoppt Einsatz von „Section Control“
Auf der B 6 bei Laatzen in Niedersachsen wurde seit Dezember 2018 eine (für Deutschland) neue Technik zur Geschwindigkeitskontrolle in Form eines Streckenradars namens „Section Control“ erprobt. Unter anderem aus datenschutzrechtlichen Gründen wurde der Betrieb dieser Verkehrsüberwachungsanlage nun vom Verwaltungsgericht Hannover untersagt.
Was ist „Section Control?“
„Section Control“ ist ein sogenanntes Streckenradar, welches die Geschwindigkeit eines Fahrzeugs nicht nur an einer Stelle erfasst, sondern auf einem ganzen Streckenabschnitt immer wieder die Geschwindigkeit misst und daraus eine Durchschnittsgeschwindigkeit errechnet. Dabei erfasst das Radar die Kennzeichen und Geschwindigkeiten sämtlicher vorbeifahrender Fahrzeuge. Das System soll vor allem auf besonders unfallgefährdeten Abschnitten eingesetzt werden, um zu erreichen, dass die Fahrzeugführer dort gezwungenermaßen langsamer fahren und die Geschwindigkeit einhalten. Bisher wird „Section Control“ bereits in anderen EU-Ländern wie Österreich, den Niederlanden und Belgien eingesetzt.
Weshalb wurde der Betrieb untersagt?
Problematisch ist zunächst, dass alle Fahrzeuge, die in den überwachten Abschnitt einfahren, erfasst werden. Im Trefferfall (d. h. bei Geschwindigkeitsübertretung) werden die Daten gespeichert. Wird kein Treffer registriert, werden die Daten beim Ausfahren aus dem überwachten Sektor sofort wieder gelöscht. Dem Gericht zufolge fehlte es für die Erfassung der Kennzeichen an einer Rechtsgrundlage.
Hier kommt nun das Datenschutzrecht zum Tragen. Denn bei der systematischen Erfassung von KFZ-Kennzeichen handelt es sich um eine Verarbeitung von personenbezogenen Daten. Zudem handelt es sich hierbei um einen Eingriff in das verfassungsrechtlich garantierte Recht auf informationelle Selbstbestimmung, welches das Datenschutzrecht an erster Stelle schützen soll. Dementsprechend muss für diese Verarbeitung eine Rechtsgrundlage einschlägig sein, ansonsten ist die Streckenkontrolle rechtswidrig.
Eine Einwilligung der Fahrer in die Kontrolle wird sich praktisch nicht umsetzen lassen und wäre ohne Sinn. Die Erfüllung eines Vertrags ist bei einer solchen hoheitlich festgelegten Maßnahme ebenfalls nicht anzunehmen. Öffentliche Stellen dürfen sich außerdem nicht auf ein berechtigtes Interesse berufen. Und für den Schutz von lebenswichtigen Interessen, lässt sich die Intensität des Eingriffs nicht mit der abstrakten Gefahr für Leib und Leben auf einem Straßenabschnitt rechtfertigen.
Schließlich bleibt nur noch die Möglichkeit, dass eine Rechtsgrundlage für den Einsatz von „Section Control“ durch den Gesetzgeber geschaffen wird. Da der Einsatz des Streckenradars jedoch erst im Testbetrieb war, wurde vom Gesetzgeber auch noch keine Rechtsgrundlage hierfür geschaffen, weshalb „Section Control“ wegen Fehlens dieser, für die Datenverarbeitung sofort eingestellt werden musste.
Wahrscheinlich soll im Rahmen des Niedersächsischen Polizeirechts nun eine Rechtsgrundlage für das Streckenradar geschaffen werden.
Was lässt sich aus dieser Entscheidung mitnehmen?
Zum einen zeigt diese Entscheidung die Wirksamkeit des Datenschutzrechts auf. Für den Gesetzgeber und auch nichtöffentliche Stellen stellt das grundsätzliche Verbot mit Erlaubnisvorbehalt eine Hürde dar, sodass nicht einfach Überwachungs- und Datenverarbeitungsmaßnahmen nach eigenem Ermessen beschlossen und umgesetzt werden. Es setzt Grenzen und sorgt dafür, dass Überwachungsmaßnahmen vor der Durchführung noch einmal gründlich überdacht werden.
Zum anderen zeigt diese Entscheidung, wie wichtig das Vorhandensein einer Rechtsgrundlage für jede Datenverarbeitung ist.